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Istanbul – Konstantinopel – Byzanz

Reisegruppe des Arbeitskreises auf Burg Rothenfels in der Türkei

Eine Reisegruppe mit 37 Teilnehmern des Arbeitskreises auf Burg Rothenfels erkundete in der ersten Maiwoche die 17 Millionen - Stadt Istanbul, die Europa mit Asien verbindet. In Vertretung des erkrankten Vorsitzenden Herbert Brehm leitete sein Vertreter Michael Kress die Gruppe. Ziel war es, die Entwicklung der Stadt am Bosporus, ihre Geschichte und Kultur und ihre wirtschaftliche und politische Bedeutung für die heutige Türkei kennenzulernen.

Das Reisebüro Panter hatte dafür „Serap“ engagiert, eine in allen Belangen fundierte Reiseleiterin, die dazu noch in Erlenbach am Main geboren wurde, dort Kindergarten und Schule besuchte, denn ihr Vater arbeitete in den 60er Jahren bei der „Glanzstoff“ in Obernburg, bevor die Familie wieder in die Türkei zurückkehrte.

Tradition und Fortschritt

 Gegründet wurde die Stadt am Bosporus um 700 v.Chr. unter dem Namen Byzantion als griechische Kolonie. Im Jahre 330 stieg sie zur Hauptstadt des römischen Imperiums auf, dank Kaiser Konstantin, nach dessen Tod sie in Konstantinopel umbenannt wurde.1453 wurde die Stadt mit dem Namen Stanbul Zentrum des osmanischen Reiches. Unter Atatürk, dem Begründer der türkischen Republik, verlor sie ihre Hauptstadtwürde und erhielt 1930 offiziell den Namen Istanbul.

Ihre 2700-jährige Geschichte spiegelt sich in vielfältigen Baustilen wider, die Architektur vereint Elemente der Griechen, Römer, Byzantiner, Osmanen und Türken miteinander zu einem einzigartigen  Stadtbild. Aufgrund dieser Einzigartigkeit wurde die historische Altstadt von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt; 2010 war Istanbul auch europäische Kulturhauptstadt.

Auffällig für den Besucher ist sofort das islamische Gesicht Istanbuls: überall Moscheen mit ihren hochaufragenden Minaretten - über 2.000 sollen es sein. Fünfmal am Tag rufen unzählige Muezzins zum Gebet, schon bei Sonnenaufgang morgens um fünf Uhr, woran sich die Gäste aus dem Landkreis Main-Spessart auch erst einmal gewöhnen mussten.Die Sultan Ahmet Camii, auch als Blaue Moschee bekannt wegen ihrer blau-grünen Kacheln, ausgestattet mit sechs Minaretten, anstatt der üblichen vier, zählt zu den imposantesten Bauwerken neben der Hagia Sophia, die bekanntlich im christlichen Konstantinopel die größte Kirche der Christenheit war. Sehr beeindruckt waren wir auch von der Süleyman-Moschee, erbaut 1550-57 von Sinan, dem osmanischen Michelangelo.

Sie steht sogar auf einem erdbebensicheren Fundament aus wasser-gefüllten Kammern. Die Anlage umfasst neben der gewaltigen Moschee eine Bibliothek, ein öffentliches Badehaus, ein Geburtskrankenhaus, eine Armenküche (heute: Restaurant), Koranschulen und ein Studentenwohnheim.

Der Topkapi-Palast, strategisch gelegen auf der vom Goldenen Horn, Bosporus und Marmarameer umspülten Halbinsel der Istanbuler Altstadt, war rund 400 Jahre lang Regierungssitz und Residenz der osmanischen Sultane. Auch die Privaträume des Sultans (Harem) durften besichtigt werden, wobei man so manche romantische Harems-Vorstellung revidieren musste.

Unsere Schifffahrt auf dem Bosporus vorbei an bewaldeten Hügeln mit Palästen, Burgen und Holzvillen war ein weiterer Höhepunkt unserer Reise. Auch hier vermischen sich wieder Tradition und Fortschritt. Der prunkvolle Ciragan Sarayi, einstmals Sultanspalast, ist heute das Nobelhotel Kempinski, in dem es dem Sultan sicherlich auch gefallen würde. In Tarabya unterhält die Deutsche Botschaft eine stattliche Sommerresidenz auf einem parkähnlichen Grundstück, eine Schenkung des Sultans 1880 an das deutsche Reich zur diplomatischen Nutzung. Die Wohnlage am Bosporus ist sehr begehrt und ihre Immobilien zählen zu den teuersten in Europa. Heute überspannen zwei Hängebrücken den Bosporus, die die alten und neu entstandenen Stadtteile zusammenführen. Mehr als die Hälfte der Istanbuler leben auf der asiatischen Seite, die sich mit Hochhäusern und modernen Geschäftsstraßen rasant entwickelt hat. Der Verkehr in der „rush hour“ ist erdrückend.

Neben den alten traditionellen Stadtteilen bietet Istanbul, rund um den Taksim-Platz in der Neustadt eine völlig moderne westliche Innenstadt mit Fußgängerzone samt den üblichen internationalen Shops und Restaurants. Nur die historische Straßenbahn erinnert noch an die alte Zeit.

Diese alte Zeit wird plötzlich  gegenwärtig im Großen Basar und auf dem Ägyptischen Gewürzmarkt, wo gehandelt und gefeilscht wird, eben typisch orientalisch und für uns immer wieder faszinierend. Wenn man schließlich genug davon hat, kann man sich ja zu einem türkischen Kaffee oder Tee zurückziehen. Sehr asiatisch und orientalisch wirkte auf die deutschen Besucher auch ein Folkloreabend mit anatolischen und orientalischen Tänzen.

Deutsches Generalkonsulat und Türkische Handwerkskammer

Durch Vermittlung von MdB Wolfgang Zöller durften die Arbeitskreismitglieder das Deutsche Generalkonsulat in Istanbul besuchen. Sie wurden vom Stellvertretenden Generalkonsul Dr. Philipp Deichmann empfangen, der zunächst eine Überblick über die deutsch-türkischen Beziehungen gab und anschließend Fragen der Teilnehmer beantwortete. Das repräsentative Gebäude mit herrlichem Blick auf den Bosporus in der Nähe des Taksim-Platzes -mit Denkmal der Republik-  ist ein Symbol der gewachsenen deutsch-türkischen Beziehungen. Als erster Botschaftsneubau des 1871 gegründeten deutschen Reiches wurde er 1877 fertig gestellt und diente bis 1928, d.h. bis zum Umzug der türkischen Regierung nach Ankara, als Deutsche Botschaft.

Natürlich stand der EU-Beitritt der Türkei im Mittelpunkt des Interesses der Gäste aus Deutschland. Dr. Deichmann betonte, dass die Verhandlungen „ergebnisoffen“ geführt würden, wobei die CDU-geführte deutsche Bundesregierung eine sog. „privilegierte Partnerschaft“ bevorzuge. Die Verhandlungen der EU mit der Türkei wurden zeitweise auch ausgesetzt wegen ungeklärter Handels- und Zollfragen mit Zypern, dessen nördlicher Teil bekanntlich von der Türkei verwaltet wird. Im Übrigen funktioniere der Handel zwischen der EU insgesamt und der Türkei auf der Basis einer Zollunion nicht schlecht.

Die Frage nach der Rolle der Gewerkschaften in der Türkei gab eher zu Ernüchterung Anlass, denn es gebe nicht wirklich Organisationsfreiheit und Tarifautonomie im Land. Gerade erst hatten am Vortag (1.Mai) Hunderttausende auf dem zentralen Taksim-Platz für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne demonstriert.

Zusammenfassend konnte man feststellen, dass der unbestreitbare wirtschaftliche Erfolg der Türkei -besonders in Istanbul sichtbar- nicht die Defizite bezüglich Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit, Behandlung ethnischer Minderheiten, individuelle Freizügigkeit und Chancengleichheit überdecken kann.

Vielleicht bringen ja die Parlamentswahlen am 12. Juni dieses Jahres, für die die verschiedenen Parteien in der Bosporus-Metropole z.Zt. plakativ werben, einen weiteren Fortschritt in der Demokratisierung des Landes.

Noch am Tag unserer Abreise wurden wir in einem sehr repräsentativen Rahmen vom Präsidenten, Vizepräsidenten und Geschäftsführer der Handwerkskammer Istanbul (ISTESOB) herzlich empfangen. ISTESOB wurde im Jahr 1951 gegründet und ist eine der ältesten Kammern in der Türkei. Sie vereinigt 155 Innungen, denen 700.000 klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) angehören. „Sollte die Wirtschaft von Istanbul ihre Wachstumsgeschwindigkeit fortsetzen, wird sie im Jahr 2020 eine Kaufkraftparität von 380 Milliarden US$ erreichen und damit auf dem 16. Platz der Megastädte weltweit rangieren“, so war in einem Prospekt der Kammer zu lesen. Die Arbeitslosigkeit in der Türkei bezifferte der Präsident auf 7 bis 18 %, je nachdem, welche Partei Auskunft gebe. Bei der Beruflichen Bildung orientiert sich die HWK Istanbul am deutschen dualen System, u.a. pflegt man seit 20 Jahren eine Partnerschaft mit der HWK Unterfranken in Würzburg. Präsident Faik Yilmaz schloss mit den Worten: „Die türkische Bevölkerung, besonders die junge Generation, sehnt sich nach modernem Leben, der Islam stellt für Europa keine Gefahr dar und die Türken werden getragen von ihrer Liebe zu Land und Staat.“

Am Ende tauschte man Geschenke aus, stellte sich zum obligatorischen Gruppenfoto zusammen und versicherte sich gegenseitige Freundschaft. Wenn auch die Kommunikation etwas unter dem Dolmetschen litt, so werden die AK-Mitglieder die ISTESOB in Istanbul doch in guter Erinnerung behalten.

Bei beiden Veranstaltungen und auch im Dialog mit unserer Reiseführerin kam immer wieder die weit verbreitete Furcht in Europa vor dem Islam zur Sprache. Manchmal könnte man denken, dass z.B. das Kopftuch eher bei uns in Deutschland ein Problem ist als in der Türkei. Denn dort ist das Tragen eines Kopftuches in Schulen und Universitäten verboten. Mit Atatürk, dem Vater der Türken, wurde ein staatliches Schulwesen mit der allgemeinen Schulpflicht eingeführt. Staat und Religion sind getrennt (Laizismus). Natürlich gibt es auch in der Türkei rückwärts-gerichtete Bewegungen und fundamentalistische Einflussnahmen auf Schüler und Studenten.

Echte Religiosität haben wir erfahren in der Eyüp-Moschee, einer viel besuchten Pilgerstätte, wo ein Weggefährte Mohammeds sein Grab gefunden hat. Für türkische Muslime ist dies der heiligste Ort nach Mekka. Diese Stätte der Andacht erinnerte einige deutsche Besucher an den Wallfahrtsort Altötting.

Resümee:

Michael Kress zog eine positive Bilanz der Reise, denn man habe in einer Woche mit dichtem Programm sehr viel gesehen, Geschichte und Kultur der Türkei näher kennengelernt und eine herzliche Gastfreundschaft in einer weltoffenen Stadt erlebt. Erstaunt sei man über die rasante wirtschaftliche Entwicklung, zumindest in Istanbul.

Robert Engelhardt