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Nach 68 Jahren am Grab des Vaters

Soldatenfriedhof: Ex-Forstschulleiter Rambach auf Spurensuche mit dem Arbeitskreis Burg Rothenfels in der Ukraine

Lohr Als Elfjähriger hatte er seinen Vater zum letzten Mal gesehen. Nun stand der langjährige Lohrer Forstschulleiter Andreas Rambach erstmals vor der letzten Ruhestätte seines 1944 gefallenen Vaters. Mit den Mitgliedern des staatspolitischen Arbeitskreises auf Burg Rothenfels besuchte er den deutschen Soldatenfriedhof Gontscharnoje auf der ukrainischen Halbinsel Krim.

Nach fast 70 Jahren mit dem Arbeitskreis auf Burg Rothenfels an der letzten Ruhestätte seines Vaters: der frühere langjährige Lohrer Forstschulleiter Andreas Rambach auf dem deutschen Soldatenfriedhof Gontscharnoje, rund 20 Kilometer östlich von Sewastopol in der Ukraine. An einer Stele zeigt der 82-Jährige auf den Namen seines Vaters Erich, der am 17. März 1901 geboren wurde und am 26. März 1944 in Stary Krim gefallen ist.

Dort, wo an der Straße zwischen Sewastopol und Jalta inzwischen fast 25 000 deutsche Soldaten beerdigt sind.

Die Verwaltung der Großstadt Sewastopol hat dort ein rund fünf Hektar großes Gelände am Berghang in einem Eichenwald für einen Sammelfriedhof zur Verfügung gestellt. Bis zu 40 000 Gefallene sollen hier ihre letzte Ruhestätte finden. Die vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge errichtete und gepflegte Anlage war im September 2001 eingeweiht worden. Dort sind die toten Soldaten auf einem Riesenfeld einzeln beerdigt.
Allein in der Ukraine sind im Zweiten Weltkrieg und danach rund 400 000 deutsche Soldaten ums Leben gekommen. Bis Ende 2010 wurden 120 000 Gefallene aus 370 nicht pflegbaren Friedhöfen auf Sammelfriedhöfe umgebettet. Darunter auch die Väter von Andreas Rambach und Siegfried Ratai aus Lohr auf der Krim.
Verhängnisvoller Streit
Andreas Rambachs Mutter wäre am Schicksal ihres Mannes seelisch und körperlich fast zerbrochen. Curt Erich Rambach war sächsischer Revierförster und erst 1941 als 40-Jähriger tauglich für den Truppenverwaltungsdienst gemustert, aber im Tharandter Wald westlich von Dresden unabkömmlich gestellt worden. Die Tragik nahm ihren Lauf, als der Revierförster sich nach einem offenbar alkoholreichen jagdlichen Abend mit dem damaligen Gauleiter über die Bewertung eines Geweihs zerstritt. Nach der Auseinandersetzung wurde Rambach zu einem Wirtschaftskommando eingezogen und kam Juni 1942 als Forstmann nach Russland.
Der 82-jährige Andreas Rambach weiß aus Unterlagen seiner Mutter und aus Recherchen ziemlich genau, wie sein Vater im März 1944 umgekommen ist. Curt Erich Rambach war auf der Krim als Revierförster im Range eines Kreisverwaltungs-Inspektors eingesetzt und hatte die Oberförsterei Stary Krim zu verwalten. Zusammen mit Forstleuten, Landwirten und Kräften der Arbeitsverwaltung sollte er helfen, die deutschen Truppen und danach auch die Heimat mit Holz zu versorgen und später die Forstverwaltung in Tiflis leiten.
Die Deutschen hatten aber längst auch am Schwarzen Meer eine Schreckensherrschaft errichtet. Nach dem Barbarossa-Einsatzbefehl war alles Jüdische zu töten, die Städte abzubrennen. Trotz vieler Gräueltaten seien bei dem Besuch der Lohrer in der 1991 selbstständig gewordenen Ukraine kaum Ressentiments zu spüren gewesen, berichtete der ehemalige Lohrer Berufsschuldirektor Robert Engelhardt.
Bei Partisanenaktion getötet
Vater Rambach war in Stary Krim am Fuß des Jalta-Gebirges in einem großen Forsthaus einquartiert. Im Vordergebäude an der Hauptstraße befand sich die Feldpolizei. Deswegen fühlte sich der Förster im Hinterhaus verhältnismäßig sicher. Das war aber auch sein Verhängnis. Ein- bis zweimal in der Woche soll es Partisanenüberfälle gegeben haben. Und durch einen Verrat hatten die Deutschen am Vortag Partisanenführer festgenommen. Die warteten bei der Feldpolizei auf ihre Verurteilung zum Tod. In der Nacht um 23.30 Uhr wurden die Männer befreit. Nach einem Scheinangriff auf die Ortsausgänge, umstellten russische Untergrundkämpfer mehrere von Deutschen besetzte Häuser und feuerten mit Maschinengewehren. Innerhalb einer halben Stunde waren zehn deutsche Soldaten tot und weitere elf schwer verwundet. Erich Rambach, der im Hinterhaus seine Geburtstagspost las und dann zu Bett gehen wollte, versuchte noch durchs Küchenfenster zu fliehen. Dabei trafen ihn drei Kugeln in den Kopf.
Die Opfer wurden am nächsten Tag, am 27. März 1944, auf dem Waldfriedhof der 170. Infanteriedivision in Stary Krim beigesetzt. Näheres erfuhr Rambach erst 1999 bei der Gräbersuche über den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Herbert Brehm als Vorsitzender des Arbeitskreises auf Burg Rothenfels suchte nun für die Ukrainefahrt gezielt den Sammelsoldatenfriedhof aus. Bei der Umbettung des Friedhofs nach Gontscharnoje konnten zwar die Gebeine Rambachs nicht identifiziert werden, weil die Erkennungsmarken nicht gefunden wurden. Eine Namensnennung erfolgte trotzdem auf der Stele Nr. 5.
Andreas Rambach konnte sich in das Gedenkbuch des Soldatenfriedhofs eintragen. Und er wird auch Mitte November bei der Erweiterung eines sächsischen Ehrenmals dabei sein.
Gegen das Vergessen
Auf dem Soldatenfriedhof empfing Uwe Möller vom Volksbund die Lohrer Reisegruppe. In einer Ansprache erinnerte der frühere Kissinger Landrat Herbert Neder an die großen Opfer, die Leiden und die unzähligen Toten der Völker als Folge des Krieges. Als er zusammen mit Herbert Brehm das Blumengebinde für die gefallenen Soldaten niederlegte, betonte er: »Erinnerung gegen Vergessen zu setzen, gehört zu den Herzstücken abendländischer, antiker wie christlicher Überlieferung. Fürsorge für die Gräber der Kriegstoten ist gleichzeitig Vorsorge für den Frieden der Lebenden. Unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern.« Günter Weislogel