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Mit dem „Whip“ durchs Parlament und Allah in der Kirche

Reisegruppe des Arbeitskreises auf Burg Rothenfels unterwegs in Malta

Bericht von Robert Engelhardt

Welche Bedeutung hat schon ein Inselarchipel im Mittelmeer, bestehend aus Malta, Gozo und Comino, ca. 90 km südlich von Sizilien, 320 km östlich von Tunesien und 350 km nördlich von Tripolis mit einer Gesamtfläche von gerade einmal 316 qkm,   nur ca. einem Viertel der Fläche des Landkreises Main-Spessart? Allerdings leben dort etwa dreimal soviel Menschen als in MSP, nämlich 410.000.

Die 23 Arbeitskreismitglieder waren beeindruckt von der wechselvollen Geschichte und der reichen Kultur des kleinsten EU-Staates, vom Aufbruch der Menschen in die Moderne, von ihrer Gastfreundschaft und dem Stolz auf ihr Land.

Wir begaben uns auf eine Zeitreise durch 7.000 Jahre Geschichte, die so wie das umgebende Meer ruhige und friedliche Abschnitte enthält, aber auch stürmische Perioden mit Krieg und menschlichen Tragödien. Viele Völker und Herrscher haben auf den Inseln ihre Spuren hinterlassen: Den antiken Kulturen der Phönizier, Karthager, Römer und Byzantiner folgten die Araber, die die Region von Tunesien bis Sizilien beherrschten. Im Mittelalter hinterließen Normannen und Staufer ihre Spuren und besonders der Johanniterorden prägte das Land nachhaltig. Alle 27 Großmeister von 1530 bis 1798 sind im „Palace of the Grand Masters“ in Valletta verewigt.

Italienische Einflüsse vermischen sich heutzutage mit arabischen und britischen, wobei die maltesische Sprache diese kulturelle Verschmelzung in besonderer Weise transportiert. Wir durften in Mosta mit einer der drittgrößten Kuppelkirchen Europas einem sonntäglichen Gottesdienst beiwohnen, der uns einerseits mit seiner katholischen Liturgie sehr vertraut erschien, aber andererseits klang das Maltesische in Wort und Gesang doch auch sehr arabisch und „Marija“ war „l-Omm t‘Alla“, die Mutter Gottes. 95 % der maltesischen Bevölkerung sind katholisch, es gibt keinen Priestermangel und die Kirchen sind gut besucht. Die Menschen identifizieren sich mit ihrer Kirche und pflegen ihr Brauchtum, wie z.B. bei der Karfreitagsprozession von Xaghra und Ggantija, einem traditionellen Dorf mit neolithischem Tempel, der uns ebenso in Erstaunen versetzte. Überhaupt tauchen in dem kleinen Land immer wieder prachtvolle Kirchen und Kathedralen auf  - 360 Kirchen und Kapellen will man heute auf den beiden Inseln zählen - , deren kunstgeschichtliche Schätze den Besucher zu großer Bewunderung anregen, ganz besonders die St. John’s Kathedrale in Valletta.

Am 01. Mai tauchte ein strahlendes Feuerwerk die Haupt- und Hafenstadt Valletta mit ihren grandiosen Bauwerken und Befestigungsanlagen aus honiggelbem Maltastein in gleißendes Licht. Man feierte den 5. Jahrestag des Beitritts Maltas zu Europäischen Union.

Empfang durch den deutschen Botschafter, Parlamentsbesichtigung und Gespräch mit einem Abgeordneten

Der deutsche Botschafter, Karl-Andreas von Stenglin, empfing die Mitglieder des Arbeitskreises auf Burg Rothenfels in seiner Residenz. Er nahm sich viel Zeit, um besonders über die aktuelle Lage Maltas zu berichten und Fragen der Teilnehmer zu beantworten:

Die Republik Malta ist spätestens mit der Einführung des Euro am 01.01.2008 in der EU angekommen, d.h. sie gehört zum sog. Schengen-Raum und hat dem Vertrag von Lissabon bereits zugestimmt. Ein ernstzunehmendes Problem seien die Flüchtlinge aus Afrika, wobei der Botschafter v.a. Italien kritisierte und sich größere Solidarität in der EU bei der Integration von legalen Migranten wünschte. Gerade in der Zeit unseres Aufenthaltes war wieder ein Boot mit 66 Flüchtlingen in der Nähe der Insel Lampedusa (Italien) gerettet und nach Malta verbracht worden. Der Streit zwischen Malta und Italien über deren Aufnahme dauert an.

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Malta hätten sich sehr positiv entwickelt, so der Botschafter weiter. Gegenwärtig gibt es mehr als 70 deutsche Firmen auf Malta, u. a. Playmobil, mit 800 Beschäftigten der größte deutsche Arbeitgeber im Land. Versicherungen und Finanzdienstleister machten gute Geschäfte. Allerdings sei auch Malta von der globalen Wirtschaftskrise betroffen, zumal auch viele mittelständischen Firmen vom Export abhingen. Gute Chancen verspricht man sich von moderner Umwelttechnologie. Malta sei auch ein Bindeglied zum arabischen Raum, zu Israel und den Palästinensern.

Obwohl Malta im 2. Weltkrieg aufgrund seiner strategischen Lage im Mittelmeer und als britischer Stützpunkt unter starker Bombardierung litt, gäbe es heute kaum noch Ressentiments gegenüber Deutschland.

Malta lebt vom Tourismus: Jedes Jahr kommen 1,2 Mio Besucher ins Land, von denen Deutschland mit 150.000 Personen jährlich nach Großbritannien das zweit-größte Kontingent stellt.

Nicht sehr vielen Malta-Reisenden ist es vergönnt, einmal das Parlament zu besuchen und mit einem aktiven Abgeordneten zu diskutieren. Dank des Vorsitzenden des Arbeitskreises auf Burg Rothenfels, Herbert Brehm, war dies möglich, denn er hatte die notwendigen Kontakte geknüpft. Vielleicht waren wir aber die letzte Gruppe, die Präsidentenbüro, Ambassador’s Room, Regierungsräume und v.a. das Repräsentantenhaus im altehrwürdigen „Palace of the Grand Masters“ besuchen durfte, denn es steht jetzt unmittelbar ein Umzug bevor. Das englische Unterhaus ist Vorbild für das maltesische Parlament, wo sich auch die Abgeordneten der Regierungspartei und die Vertreter der Opposition direkt gegenübersitzen. „The Hon. David Agius“ führte uns und erläuterte den Gesetzgebungsprozess in der Volksvertretung. Er ist der „Government Whip“, d.h. er hat als sog. Einpeitscher dafür zu sorgen, dass insbesondere  bei wichtigen Abstimmungen die Abgeordneten der regierenden Partei - z.Zt. die christdemokratische Partit Nazzjonalista (PN) mit 35 Sitzen gegenüber der oppositionellen Malta Labour Party (MLP)  mit 34 Sitzen - vollzählig präsent sind. Das ist nicht immer einfach, denn die Parlamentarier gehen alle einem Beruf nach und stehen in der Regel nur gegen Abend zur Verfügung.

So stellte sich auch nach Feierabend Dr. Michael Gonzi, Abgeordneter der PN,  nach einem arbeitsreichen Tag als praktizierender Arzt unseren Fragen. Er ist auch im Ausschuss für Soziales und daher besonders kompetent in Fragen zum Gesund-heitswesen Maltas: Grundsätzlich sind ärztliche Behandlung und Medikamente für den „Normalbürger“ frei von Kosten oder sie sind zumindest sehr niedrig. Leider führt das z.B. bei aufschiebbaren Operationen zu Wartezeiten von vier bis fünf Monaten. Man kann sich auch privat behandeln lassen, wofür  man natürlich bezahlen muss. Dr. Gonzi, der in seiner Praxis auch Privatpatienten behandelt und parallel dazu im staatlichen System tätig ist, räumt ein, dass die Gesundheitskosten durch den Staat allein nicht mehr finanziert werden können und die Qualität zunehmend leidet. Deshalb seien Reformen überfällig.

Seine Reaktion auf die abschließende Frage, warum denn die amerikanische Botschaft auf Malta ein Personal von über 100 Personen unterhalte, war: „Da müssen Sie meinen Bruder fragen!“  Und sein Bruder ist kein Geringerer als der amtierende Ministerpräsident und Regierungschef der Republik Malta, Dr. Lawrence Gonzi.

Beinahe hätte dies sogar eintreten können, denn durch einen Zwischenfall bei der gebuchten LH 4129 mussten die Gäste aus Unterfranken nach einer langen Wartezeit  auf Air Malta umsteigen. Unsere Koffer blieben jedenfalls zurück in der Hauptstadt Valletta.