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Was der Sieger bewältigen muß

Vortrag: Journalistin Melinda Crane bietet über 300 Zuhörern in Lohr eine kompetente Einstimmung in US-Wahlkampf

Lohrer Echo, 7.11.2012 Hans Lembach 

Eine kompetente Einstimmung zur Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten von Amerika erhielten die über 300 Zuhörer im Bosch-Rexroth-Betriebsrestaurant am Montagabend. Die Sparkasse Mainfranken und der Arbeitskreis Burg Rothenfels hatten zu ihrer Veranstaltung (der 25. dieser Art) mit Melinda Crane eine ausgewiesene Kennerin der politischen Situation in den USA verpflichtet.

Crane verstand es in ihrem rund 90-minütigem Vortrag auf charmante Weise eine Fülle von Informationen »zur spannendsten Wahl aller Zeiten« zu vermitteln. Sie klärte über die zum Teil gravierenden Unterschiede zwischen Präsident Barack Obama und Gegenkandidat Mitt Romney auf.
»Sie sehnen sich nach Führung«, interpretierte die promovierte Referentin den Wunsch vieler ihrer Landsleute. Dies erfülle Barack Obama als Technokrat und »abwägender Juraprofessor« nicht so sehr.
Die Bedeutung der elf »swing states« (das sind die Bundesstaaten, in denen die Wählergunst für Demokraten und Republikaner nicht von vorneherein feststeht) hob sie hervor. Dort habe allerdings auch der jüngste Sturm keine Auswirkungen, denn: »Sandy wütete in demokratischen Staaten«.
Die meisten Amerikaner seien »zutiefst darüber verärgert, dass nicht überparteilich etwas bewirkt wird«. Mit 7,9 Prozent sei die Arbeitslosenquote die höchste seit Präsident Roosevelt. Der gewaltige Rückgang in der herstellenden Industrie, die private Verschuldung (bei vielen Häusern ist die Hypothek höher als der Wert) und der immense Schuldenberg der USA sind Probleme, bei deren Bekämpfung die Parteien zu weit auseinander liegen.
Die »fiskalische Klippe« (englisch fis cal cliff, Kurzform für die Ende 2012, Anfang 2013 festgeschriebenen Haushaltsbeschränkungen in den USA) hat nach Ansicht von Crane auch entscheidende Auswirkungen für Europa. In den USA seien Steuererhöhungen eigentlich zwingend notwendig. Romney hingegen wolle die Steuern sogar noch senken.
Großer Verdruss

Die immer weiter auseinander klaffende Schere zwischen Arm und Reich macht Crane Sorgen. Ohne Steuererhöhungen - vor allem bei den reicheren Amerikanern, die so wenig Steuer zahlen wie noch nie - werde sich die soziale Ungleichheit verschlechtern.
Die Amerikaner seien seit den Anschlägen vom 11. September »ängstlicher und pessimistischer geworden«. Der Optimismus der 90er Jahre sei einem »diffusem Pessimismus« gewichen. Die allgemeine Wut und der Verdruss gegenüber der Politik sei so so groß wie nie zuvor. Während Obama sich als »Verteidiger des Mittelstandes« präsentiere habe Romney seine Position sehr oft gewechselt. Mitt Romneys opportunistische Haltung arbeitete die Referentin sehr deutlich heraus. Es sei »äußerst unklar«, wie Romney die Steuern um bis zu 20 Prozent senken wolle.

Bei der Energiepolitik liegen beide nicht mehr ganz so weit auseinander. Die Förderung der erneuerbaren Energien habe Obama zwar noch im Programm, doch auch er setze auf das Erdgas. Gas und Öl und damit der Selbstständigkeit der USA räume Romney klar den Vorrang ein. In der Außenpolitik »hauten« beide auf China ein. Die Rolle als »Weltpolizist« würde die USA künftig nicht mehr einnehmen. »Niemand hat Appetit auf neue Abenteuer«, bringt es Crane auf den Punkt.
Zum Ausgang der Wahl empfahl sie ihren Zuhörern in Lohr: »Warten sie auf Ohio, bis sie ins Bett gehen«. Vor allem auf die unentschiedenen Wähler (undecided voters) sei der »teuerste Wahlkampf aller Zeiten« ausgerichtet gewesen, der beiden nach Cranes Einschätzung jeweils rund eine Milliarde Dollar kostete. Der finanzielle Einfluss auf die Politik in den USA ist riesig. Die Wall Street sei in großer Mehrheit gegen Obama. Zudem neigten viele Amerikaner dazu, »den Wechsel zu wählen«.
Crane hält es für zwingend erforderlich, in den USA die Steuerquote zu erhöhen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, das Staatsdefizit zu senken sowie in die Bildung und Infrastruktur zu investieren. Nur so könne das von Optimismus bestimmte »Comeback der USA« gelingen.
»Es wird mehr von den Europäern gefordert, egal wer im Amt sitzt«, ist Melinda Crane überzeugt. Damit beantwortete sie auch eine entsprechende Frage in der kurzen Fragerunde im Hinblick auf die Euro-Krise. »Wer auf die USA zählt, soll auch sein eigenes Haus in den Griff bekommen«. Dass die große Mehrheit der Deutschen Obama bevorzugt, ist nach Cranes Auffassung auch damit zu erklären, dass die Deutschen »sehr idealistisch« geprägt seien. Barack Obama verkörpere den amerikanischen Traum.

 

Es war bereits die 25. Veranstaltung dieser Art und die siebte, die die Sparkasse Mainfranken und der Arbeitskreis auf Burg Rothenfels im Betriebsrestaurant von Bosch Rexroth organisierte.
Sparkassen-Vorstandsvorsitzender Rudolf Fuchs hielt in seiner Begrüßung eine kurzen Rückblick auf die Vorträge, die 1988 begannen. Es sei insgesamt eine reizvolle Mischung bei den Referenten gewesen. Heute »haben wir eine Rekordzahl von Besuchern« im Raum.
Der straffe Zeitplan mit nur kurzer Diskussion war vorgegeben, weil Melinda Crane gestern um 8 Uhr in Köln für N-TV im Fernsehstudio stehen und dafür ihren Anschluss-Zug in Aschaffenburg erreichen musste, erklärten Fuchs und der Vorsitzende des Arbeitskreises, Herbert Brehm. Fuchs, der aus seinem Amt ausscheidet, versicherte Brehm dass unter seinem Nachfolger die Veranstaltungsreihe fortgesetzt wird. Als Dank und zur Erinnerung erhielt Fuchs von Brehm ein kleines Bild mit einem Lohrer Bayersturm-Motiv, da es von der »neuen Sparkasse« in Lohr noch kein Werk eines Künstlers gibt. (hl)